Werk der Woche – Mahler/Mengelberg: Symphonie Nr. 10

Eine Wiederentdeckung nach 95 Jahren: Willem Mengelberg war ein enger Freund von Gustav Mahler und widmete sich als Chefdirigent des Concertgebouw-Orchesters intensiv der Pflege von Mahlers Kompositionen. 1924 präsentierte er in Amsterdam seine Fassung der unvollendeten „Zehnten“ als Symphonie Nr. 10 – Adagio und Purgatorio. Nun wird das Hong Kong Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Jaap van Zweden die Symphonie am 13. Dezember zum ersten Mal seit Mengelbergs Uraufführung zu Gehör bringen.

Während Mahler im Sommer 1910 in seinem „Komponierhäusl“ in Toblach in Südtirol an dem neuen Werk schrieb, begann seine Frau Alma während ihrer Kur in der Steiermark ein Verhältnis mit dem jungen Architekten Walter Gropius. Mahler erfuhr davon, fiel in tiefe Verzweiflung, lag oft weinend in seinem Häuschen und suchte sogar Hilfe bei Sigmund Freud. Die Zehnte ist eine verzweifelte Liebeserklärung an seine „Almschi“, wie er seine Frau nannte.

Mahler/Mengelberg – Symphonie Nr. 10: vom skizzierten Particell bis zur Partitur

Mahler starb, bevor er die Vollendung der Zehnten angehen konnte und übergab Alma die Entwürfe zur freien Verfügung. Dabei handelte es sich um fünf Sätze in verschiedenen Arbeitsstadien: vom skizzierten Particell bis zur instrumentierten Partitur. Die Mitte des Werks bildet das kurze Purgatorio (ein Intermezzo-Allegro), umrahmt von zwei ausschweifenden Scherzi (jeweils etwa 12 Minuten lang) und – als äußerer Klammer – zwei wild bewegten Adagio-Sätzen (jeweils etwa 25 Minuten lang). Eine Endfassung existiert von keinem der Sätze. Alma beauftragte Mahlers engen Freund Mengelberg, zwei Sätze der Symphonie Nr. 10 zu vollenden. Sie gewährte ihm, Stellen zu ändern, an denen es ihm wichtig erschien. Diese Freiheit zeigt sich in seiner Fassung: Er verdoppelte und verstärkte nicht nur bestimmte Teile, sondern fügte dem dritten Satz, Purgatorio, neu komponierte Teile hinzu. Heute existieren mehrere aufführbare Fassungen von Mahlers Symphonie Nr. 10, wovon die Vollendung durch Mengelberg die erste war.

Der Wiederaufführung in Hong Kong folgt noch ein zweites Konzert am 14. Dezember an gleicher Stelle. Im Januar 2020 spielt das Royal Concertgebouw Orchestra in Amsterdam unter van Zwedens Leitung die Fassung ebenfalls zweimal. Premieren in Ländern wie Deutschland und den USA stehen noch aus.

Teilen: